Traveller
Es ist schon einige Zeit her, da traf ich im Prince John Tauchresort einen seltsamen jungen Deutschen. Er sprach von sich selber nur als Traveler und er travelte schon ein ganze Weile. Drüben auf Java oder Lombok gäbe es auch jede Menge coole Traveler mit denen man cool chillen könne, das ganze natürlich in Backpackers. Er brachte förmlich keinen Satz heraus ohne einen absolut eloquent klingenden Anglizismus einzufügen. Den Vogel schoss er aber ab, als er sich an den Strand legte und die Sonnenuntergansidylle mit der lautstarken Beschallung seines Handys verzierte, womit er sich ganz in das Herz der „normalen“ Urlauber dort schloss.
Wer glaubt dies sei ein Einzelfall, der irrt. In dem Black Marlin Tauchresort auf den Togean Islands durfte ich nun, mehrere Exemplare dieser seltenen Gattung von
Touristen erleben.
Daraus ergab sich folgende Verhaltensstudie:
Der typische Traveler unterscheidet sich vom herkömmlichen Reisenden in der Reisedauer, den Reiserouten, dem Kommentkampf, der Adaption an örtliche Gegebenheiten sowie vor allem dem Willen, sich von üblichen Reisenden zu unterscheiden.
Während der normal Tourist (sagen wir einmal Tauchtourist) nur zwei bis vier Wochen bleibt, reist der Traveler einen bis 12 Monate. Am deutlichsten unterscheiden sich hierbei die Einmonatstraveller von den Vierwochentouristen. Fragt man ein beliebiges Exemplar, ob es hier fern von der Heimat auf Urlaub ist, wird dies stolz verneint. Man betreibt „Traveling“. Dieses ist jene faszinierende Sportart, bei der man so schnell wie möglich alle Gegenden die im Lonly Planet beschrieben wurden gesehen haben muss, um sich allabendlich in den im Lonly Planet empfohlenen Resorts zu treffen. Hier kann man auf die lästigen Einheimischen verzichten und man findet Gleichgesinnte. Zusammen bei jeder Menge Bier uns Musik ist man unter sich. So ist es ja schließlich doch am Schönsten.
Bei diesen Aggregationen verschiedener Individuen, tauscht man zumeist die Reise….äh…Travelingstorys. Jene Traveler, die die meisten Orte besichtigt haben und von überall was erzählen können (hierbei hilft es auch den Lonly Planet geschickterweise auswendig zu lernen) genießen das größte Ansehen unter den Artgenossen. Dabei scheint es absolut unerheblich, wie lange man diese Orte besichtigt hat. Fünf Minuten und ein Bild aus dem Bus reichen genau so viel wie 5 Wochen. Schließlich ist man ja unterwegs und will reisen…..äh…traveln. Wichtig dabei ist, sich immer an die Vorschläge des Reiseführers zu halten, schließlich will man ja die ganzen Geheimtipps kennen. Ab und an kommt ein Traveler vom Weg ab und gerät unvorhergesehen unter die Einheimischen. Hier fühlt er sich zwar nicht sonderlich wohl, aber er kommt zurecht. Schließlich hat er ja eine ganze Packung Laryam (Malariavorsorge) gegessen, trinkt kein Wasser (wozu gibt es Bier?) und isst kein Gemüse. Findet er später wieder zurück in die vertrauten Gefilde eines Travelertings, genießt er doppelt hohes Ansehen, da er die Wildnis erlebt hat. Und schon bald werden sich ganze Gruppen geschlossen aufmachen um dieses von Entbehrungen geprägte Abenteuer, allein da draußen, auch zu erleben.
Wichtig für die soziale Rangordnung unter den Travelern ist auch der Sprachwettbewerb. Dieser tritt auf, wenn sich mehrere Traveller mit gleich großen Aktionsradius aufeinander treffen. Kann der Traveller seinen Kontrahenten nicht mit der Aufzählung gesehnen Reisezielen beeindrucken, so greift er zu seinen Sprachkenntnissen. Als Sieger geht hier derjenige hervor, der von den meisten Sprachen ein paar Brocken beherrscht. Am Wichtigsten sind hier die essenziellen Worte „ja“, „nein“, „danke“ und „Bier“. Diese bringt man in dem Resort auch großzügig zum Einsatz. Verschönert wird die ganz Atmosphäre dann noch durch europäische Musik, welche aus den unentbehrlichen iPods (natürlich das neuste Modell) oder den Mac-Notebooks dröhnen, welche auch in keiner Travellerausrüstung fehlen sollten. (Vor allem in ärmeren Ländern haben sich diese bewährt, um vor den Augen der Eingeborenen ein gewisses Niveau zu halten.)
Fazit:
Der typische Traveller ist ein wandelndes Paradoxon. Er sucht er die Abenteuer, weitab von der Zivilisation, geht aber nur dorthin, wo er entweder andere Traveller trifft, oder er geht gleich in grossen Gruppen los. Die technisierte Welt, die er eigentlich verlassen will schleppt er sie immer und überall mit sich herum und schafft sich ein Umfeld wie zu Hause (dort ist es ja auch am Schönsten).
Selbstreflektion:
Glücklicher Weise lege ich großen Wert darauf mich von den normalen Travellern zu unterscheiden. Andererseits bin ich auch kein Tourist, sondern eher ein Angepasster Emmigrant. Da ich die Zusammenrottung von Travellern und Touristen so wenig leiden mag, suche ich sie regelmäßig auf, trinke Bier und übertrumpfe noch jeden Traveller mit meinen Geschichten, mit dem indonesischen Personal rede dabei ich ausschließlich in der Landessprache auch wenn es englisch oder deutsch vesteht. So kann ich Indonesier wie auch Traveler beindrucken. Letztendlich habe ich ja einen Ruf zu verlieren. In meinen Haus mag ich auf den meisten europäischen Luxus nicht verzichten…..man macht es sich eben so schön wie zu Hause.
Bleibt nur die Frage:
Was mache ich, wenn ich in einer Woche meine Zelte abbreche und nach Deutschland zurück fahre? Ich weiß…..dann wird ich einfach Traveller!